Titelgeschichte Die Lebkuchenbäcker In den Wochen vor Weihnachten geht’s in der Backstube der Baumanns in Beerfurth hoch her. Hier, in der „ältesten Odenwälder Lebkuchenbäckerei“, wird die beliebte Süßigkeit schon seit über 200 Jahren gebacken – bis heute mit viel Leidenscha . In der Vorweihnachtszeit duftet es besonders gut nach Zimt, Kardamom und Nelken. Lebkuchen- duft liegt in der Luft. Um drei Uhr nachts, wäh- rend die meisten noch tief und fest schlafen, steht Willi Baumann bereits in seiner Backstube und rührt das Honiggemisch und später den Teig an. In den letzten Wochen vor Weihnachten kommt er so richtig in Fahrt. Von früh morgens bis abends um zehn backt er, was das Zeug hält: Magenbrot, Pfeffernüsse, Anis- und Weihnachtsgebäck – vor allem aber Lebkuchen in allen Formen und Größen. Doch Baumann ist nicht allein: Seine Frau Isabelle, seine Eltern und ein achtköpfi ges Team an fl eißigen Helfern unterstützen ihn tatkräftig – alle Jahre wieder. Weihnachten ohne Lebkuchen … … ist wie Ostern ohne Eier: Einfach unvorstellbar! Zumindest für Lebkuchenfans. Die ersten Honigku- chen und Pfeffernüsse liegen ab Anfang September in den Verkaufsregalen oder werden auf Bauern- märkten angeboten. Dann beginnt in der Regel auch für die Baumanns die Backzeit. „Doch Corona hat alles verändert, viele Märkte sind abgesagt. Wir ha- ben unser Backkontingent also angepasst und sind erst im November so richtig durchgestartet“, erklärt der Bäcker. Bis zu sechs Zentner Teig verarbeitet das Team – täglich. Das grobe Rezept ist kein Geheimnis, alle Zutaten stehen ja auf der Verpackung. „Aber die genaue Backvorschrift bleibt selbstverständlich top- secret“, sagt Baumann und lacht. Die hat er von sei- nem Vater übernommen, der wiederum von seinem Vater, und so lässt sich die Kette bis ins Jahr 1785 zurückverfolgen. Damals brachten die Franzosen den Lebkuchen mit in den Odenwald. Einer der Vorfah- ren Willi Baumanns hat das Rezept aufgeschnappt, ausprobiert, sich einen Wandergewerbeschein besorgt und das Gebäck in der Umgebung verkauft. Seitdem lässt die Familie Jahr für Jahr die Herzen von Leb- kuchenliebhabern höher schlagen, Willi Baumann und seine Frau nun schon in der elften Generation. Das Rezept ist bis heute unverändert, ohne Zusatz- und Konservierungsstoffe. Dass der Lebku- chen so locker ist und so schmeckt, wie er schmeckt, liege aber nicht allein am richtigen Verhältnis der Zutaten. „Es geht um das ganze Prozedere, etwa um die richtige Backtemperatur und Backzeit“, erläutert Baumann. Ein guter Ofen, der ruhig backt – also ohne viel Umluft –, sei das A und O. Seinen haben Großvater und Urgroßvater Baumann 1949 gebaut. Vor einigen Jahren wurde er neu schamottiert, und er läuft wie am ersten Tag. Auch sonst hantiert und backt Baumann noch mit den Werkzeugen seiner Vorfahren: Da sind die Teigwalze, die alten Ausstecher, die Modeln aus Kirschholz und die alte Waage. Und so weht neben dem Lebkuchenduft auch ein Hauch von Nostalgie durch die Backstube, das Einkaufen wird für die Kunden zur Reise in die Vergangenheit. Denn nor- malerweise steht die Backstube jedem offen, sie dient auch als Verkaufsraum. „Doch wegen Corona geht auch das leider gerade nicht“, sagt Baumann bedau- ernd. Stattdessen steht nun im Hof ein kleiner Ver- kaufsstand. Der Weg lohnt sich Und glücklicherweise kommen die Leute auch jetzt – von nah und fern. Natürlich seien die meisten aus der Umgebung, manche aber sogar aus Kempten und Kiel. „Ein älterer Herr kommt Jahr für Jahr kurz vor Weihnachten zu uns, seltsamerweise immer, wenn es schneit“, berichtet Baumann lachend. „Und manche gehen für unseren Lebkuchen sogar Meilen. Wie die ältere Dame, die an unseren Marktstand in Mann- heim kam und ihre zwei Bollerwagen vollpackte.“ So etwas geht in diesem Jahr freilich nicht, und das macht die Baumanns ein wenig wehmütig. Sie sind gerne auf den Märkten unterwegs. Und auch das Geschäft mit ihren Großkunden, den Schaustellern, die die Rohlinge paketweise kaufen und dann selbst verzieren, entfällt in diesem Jahr. Dennoch setzen die Baumanns weiter auf den Direktverkauf. Die Pro- dukte versenden, das machen sie nicht. Noch nicht, räumt Baumann ein, man wisse ja nie, wie sich die Situation entwickelt. Das Backen selbst aber gibt er so schnell nicht auf. Und so versüßt die älteste Oden- wälder Lebkuchenbäckerei ihren Kunden auch wei- terhin die Vorweihnachtszeit. Süßes Naschwerk mit Tradition Die Baumann’schen Leb- kuchen enthalten weder Farb- noch Konservie- rungs- oder sonstige Zu- satzstoff e und halten bei richtiger Lagerung – lu - dicht, trocken und kühl in einer Blechdose – bis zu einem Jahr. Es gibt sie in verschiedensten Formen und Größen. Öff nungszeiten: Mo bis Fr: 8 bis 12 Uhr und 13 bis 17 Uhr Sa, So: 9 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr www.lebkuchen- baumann.de Ab Bahnhof Fürth (Odenwald) mit der Buslinie 693 bis Rei- chelsheim-Beerfurth hin und weg 9